Hanna Neves
Beruflich gesehen, habe ich mein Leben als literarische Übersetzerin verbracht, aber an meinen verschiedenen Aufenthaltsorten - u. a. acht Jahre in Zypern – überall musikalische Spuren hinterlassen.
Vier Jahre Ausbildung an der Wiener „Akademie für Musik und Darstellende Kunst“ (Abteilung Schulmusik) gaben mir dazu die fachliche Grundlage. Es war mir immer ein Herzensanliegen, Menschen für klassische Musik zu gewinnen – die in meinen Augen höchste Errungenschaft unserer Kultur – aber niederschwellig, denn große Konzertsäle gibt’s genug, und leider noch mehr Menschen, die sich dort nicht hintrauen.
Musikalisch aktiv war ich Jahrzehnte lang als Sängerin (Kirche, Madrigalgruppen), Dirigentin (Kirchenchor und -Orchester), am Klavier für Lied und Kammermusik, und mit der Blockflöte.
Als ich den Salon am 16. Dezember 1989 zum ersten Mal sah, war er in einem jammervollen Zustand: an mehreren Stellen hing der Plafonds in Fetzen herunter und wurde von einem Gerüst gestützt, bis zu einer Höhe von ca. 2 m waren Verputz und Malerei von Feuchtigkeit zerstört, die Fenster waren zugemauert.
1945–50 hatte der Salon den russischen Besatzern als Pferdestall gedient, was Mauern und Holzboden nicht guttat. Aber ich sah den schönen Raum und was unter einer dicken Staubschicht von der entzückenden Malerei noch zu erkennen war, und wusste sofort: Diesen Salon muss ich retten und hier Musik machen!
Es gelang, mit fachlicher Hilfe und großzügiger finanzieller Unterstützung durch Denkmalamt und NÖ Landesregierung. Nach acht Jahren Renovierung fand am 23. Mai 1998 das Eröffnungskonzert des Münchendorfer Musiksalons statt. Nach über 100 Jahren Dornröschenschlafs freuten sich die Putti an den Wänden wieder über die schönen Klänge.
Anfangs waren die Abende noch privat, von Freunden, und für Freunde: Klavier, Gesang, Chor, solistische Madrigale, Lesungen. Aber sehr bald vergrößerte sich der Kreis, der Ausführenden wie des Publikums, Musikfreunde aus Münchendorf und Umgebung kamen dazu. Ich bekam immer mehr Anfragen von Musikern, die in diesem schönen Salon mit seiner wunderbaren Akustik gern auftreten wollten.
Ein zumindest mengenmäßiger Höhepunkt war 2006 der „Ball im Hause Mozart“ mit einem 20-köpfigen Orchester (Divertimento Viennese) und einem begeisterten Publikum, das in barocken Kostümen die ganze Nacht tanzte.
Seit 2017 ist Cecilia Sipos mit dabei. Wir gestalten das musikalische Programm gemeinsam, aber der „Papierkrieg“ liegt ausschließlich auf Cecilias Schultern: Vereinsgründung, Bemühung um öffentliche Förderungen zum Zweck des „fair pay“ für die Musiker, Werbung usw. Und die Mühe lohnt sich! Der Salon ist zu seinem alten Leben erwacht!
Cecilia Sipos
Sechzehn Jahre lang arbeitete ich als Orchestermusikerin – zuerst in der Grazer Oper, dann bei den Niederösterreichischen Tonkünstlern. Häufig spielten wir in großen Konzertsälen mit 1.500 bis 2.000 Zuhörern. Es ist einerseits wunderschön, die Musik mit so vielen Menschen teilen zu können, andererseits hatte ich immer das Gefühl, dass zwischen der Bühne und dem Zuschauerraum eine unsichtbare Mauer steht: Wir, die Musiker, spielen, das Publikum hört zu, applaudiert und geht anschließend nach Hause. Es findet keinerlei Austausch darüber statt, was beim Spielen bzw. Zuhören empfunden wird! Das fand ich schon immer sehr schade.
Aus dieser Erkenntnis heraus gründete ich 2015 den Musikverein KlangVoll mit dem Wunsch, Konzerte in kleinen Formaten und intimen Rahmen zu organisieren und die gesellschaftliche und soziale Funktion eines Musiksalons in zeitgemäßer Form weiterzuführen. Das Zusammentreffen mit Hanna Neves in Münchendorf war eine glückliche Fügung, da ich hier im Münchendorfer Musiksalon genau diesen Wunsch verwirklichen kann! Diese unmittelbare Nähe zum Publikum, diese familiäre Atmosphäre! Der perfekte Ort, um Kammermusik zu spielen und zu hören!
Ich kann mich noch lebendig daran erinnern, als ich im November 2017 das erste Mal den Musiksalon Münchendorf betrat, um ein Konzert mit dem Lombardini Quartett zu spielen. Was für ein verzaubernder Ort! Die Biedermeier-Putti an den Wandgemälden schauen einem lustvoll zu, sie strahlen von Lebens- und Spielfreude. Der mächtige Lobmeyr-Luster erhellt den Salon mit festlichem Licht. Die ungleichen Biedermeier-Sesseln, Couches und Fauteuils geben dem Salon einen leicht verspielten Charme. Der alte Schweighofer-Flügel steht vis-à-vis der Eingangstür und markiert die „Bühne“. Die erste Reihe des Publikums sitzt vielleicht zwei Meter von uns entfernt: Jeder Atemzug, jede Geste der Musiker*innen kann wahrgenommen werden!